Verlust und Wiedererlangung der Allparteilichkeit
Bei der Auslandstagung der AG Mediation im Deutschen Anwaltverein in Lissabon sprach ich über die „Haltung des Mediators/der Mediatorin in der Mediation“. Ausgangspunkt sei der Grundsatz der Allparteilichkeit. Er umfasse die Vorurteilsfreiheit, Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit, Äquidistanz, Unparteilichkeit und Wertschätzung aller beteiligten Parteien. Mein Vortrag befasste sich mit der Frage, wie der Mediator/die Mediatorin eine solche Allparteilichkeit schaffe und welche Haltung hierfür erforderlich sei. Ich orientierte mich an den Grundsätzen von Carl Rogers. Danach erfordere eine solche Allparteilichkeit eine klientenzentrierte Gesprächsführung, die bei dem Mediator/der Mediatorin eine Haltung voraussetze, die Empathie, Kongruenz und bedingungslose positive Zuwendung umfasse. Unter Empathie verstehe man das einfühlende Verstehen, das nicht wertende Eingehen auf die Person. Sei der Mediator/die Mediatorin in einer Beziehung kongruent, so ermögliche dies ihm/ihr, sich auf den Gegenüber einzulassen und so die Welt mit dessen Augen zu sehen. Inkongruenz hingegen würde dem Medianten sofort auffallen. Es führe dazu, dass er sich nicht verstanden fühle und sich demzufolge verschließe. Durch eine bedingungslose positive Zuwendung bemühe sich der Mediator/die Mediatorin, dem Klienten eine nicht an Bedingungen geknüpfte Wertschätzung entgegenzubringen. Der Konfliktbeteiligte werde vom Mediator/der Mediatorin als akzeptiert angenommen, unabhängig davon, was der Klient äußere, unabhängig davon, wie er sich gebe und verhalte. Gelingt es dem Mediator/der Mediatorin nicht, Empathie, Kongruenz und bedingungslos dem Medianten positiv zugewendet zu sein, erfahre er/sie Widerstand. Dieser Widerstand zeige sich in Abwertungsversuchen des Gegenübers. Misstrauen, Distanz und Abwehrverhalten seien die Folge.
Wie könne nun der Mediator/Mediatorin seine/ihre wertschätzende Haltung den Parteien gegenüber erhalten oder wiedererlangen? Hierzu bedürfe es einer Rückbesinnung auf sich in den Zustand innerer Klarheit. Die Person zu verstehen, sei der Königsweg zu der allparteilichen inneren Haltung. Die Erkenntnis, das „Verstehen“ nicht „Einverstanden“ bedeute. Fühle sich die Partei gehört und verstanden, so geschehe nicht nur bei dieser etwas Öffnendes, sondern auch bei dem Mediator/der Mediatorin. Der Mediator/die Mediatorin kämpfe nicht mehr gegen den Widerstand der Partei und nicht mehr gegen einen inneren Widerstand. Die Chancen einer erfolgreichen Mediation steigen.